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ROSA MAYREDER - 

Biographie

 

 

Rosa Mayreder, Sozialkritikerin, Frauenrechtlerin, Kulturphilosophin, Schriftstellerin, Malerin und Musikerin, wurde am 30. November 1858 in Wien geboren und war die Tochter des wohlhabenden Gastwirts Franz Obermayer und seiner zweiten, wesentlich jüngeren gebildeten Frau Marie Engel. Sie hatte insgesamt 12 Geschwister und beneidete ihre Brüder um deren Ausbildung. Der autoritäre und konservative Vater erlaubte ihr aber, an den Griechisch- und Lateinstunden eines ihrer Brüder teilzunehmen, da alles was Wissen  und Bildung betraf, bei ihm Schonung und Respekt fand. Sie erhielt deshalb auch Privatunterricht in Französisch, Malerei und Klavierspiel.

Der protestantische Vater war in religiösen Dingen sehr tolerant, ließ übrigens seine Söhne evangelisch und die Töchter katholisch taufen, doch hatte dies keinen direkten Einfluß innerhalb der Familie. Rosa Mayreder, die sich mit der Religion schon früh befaßte und die Beichte als "grausame Strafe" und die Kirche als "Marterort" empfand, begann zu diesem Zeitpunkt sich vom Kirchenglauben zu distanzieren.

Schon als junges Mädchen beschäftige sie sich intensiv mit Wagner, Schopenhauer und Nietzsche, und doch klagte sie wiederholt in ihren Tagebüchern über die unzureichende, oberflächliche Jungmädchenbildung. Wie eigenwillig sie war, zeigte sie schon damit, daß sie mit achtzehn Jahren das Korsett ablegte, was für die damalige Zeit ungewöhnlich war.

Nach vierjähriger Verlobung heiratet sie am 28. Juli 1881 ihren Jugendfreund Karl Mayreder, den sie "Lino" nannte. Die Ehe verlief viele Jahre harmonisch, blieb aber kinderlos. Rosa Mayreder hatte 1883 eine Fehlgeburt und war lange Zeit traumatisiert. Obwohl sie  noch Kinder bekommen konnte, haben sich die Eheleute über dieses Thema nie ausgesprochen, in den späteren Jahren wurde dies allerdings zu einem Problem. Sie hatte zwei außereheliche, platonische  Beziehungen, die sie ausführlich in ihren Tagebüchern beschreibt und von denen sie auch ihrem Mann berichtete. In dieser Zeit ist es für sie auch unerträglich, daß sie Lino immer um Geld bitten muß, und wünschte, sie wäre ein Mann und hätte dann mehr Freiheit.

Im Jahre 1888 mieteten Marie und Edmund Lang zusammen mit Hugo Wolf, Friedrich Eckstein und weiteren Freunden die Wiener Villa Bellevue in Wien-Grinzing, In diesem Kreis, der hauptsächlich aus Theosophen bestand, verkehrte auch Rosa Mayreder, die sich mit Marie Lang anfreundete. Zwei Jahre später traf sie auf Rudolf Steiner, mit dem sie in diesen Jahren eine geistige und seelische Beziehung verband. Sie bewunderten und respektierten sich gegenseitig, wie auch in einem umfangreichen Briefwechsel zu erkennen ist. Rudolf Steiner bat sie auch um die Beurteilung seines Werkes Philosophie der Freiheit und bezeichnete sie als seinen liebsten Kritiker.

Rosa Mayreder, die Hugo Wolf *) zu der Zeit noch nicht persönlich kannte, entwarf auf Bitten ihrer Freunde ein Opernlibretto nach der Novelle Der Dreispitz  von Alarcon, das Hugo Wolf zuerst ablehnte. Nach einigen Jahren aber begeisterte er sich derartig dafür, daß er ihr nicht einmal eine sorgfältige Überarbeitung des Textes zugestand, da es für ihn ein fertiges Libretto war, und nannte sie eine "geniale Frau". Obwohl die Oper Der Corregidor 1896  nur mit mäßigem Erfolg in Mannheim uraufgeführt wurde, entstand  zwischen Wolf und Mayreder eine künstlerische Zusammenarbeit und eine herzliche, freundschaftliche Beziehung, die bis zu seinem Tod anhielt. (* Anm.s.unten)

1891 werden Aquarelle von Rosa Mayreder im Künstlerhaus Wien ausgestellt. Zwei Jahre später gründet sie zusammen mit Auguste Fickert,  Marie Lang und Marianne Hainisch den Allgemeinen Österreichischen Frauenverein, in den sie als Vizepräsidentin gewählt wird. In diesem Jahre werde einige ihrer Bilder auf der Weltausstellung in Chicago ausgestellt.

Am 13.1.1894 spricht sie erstmals öffentlich bei einer Frauenversammlung im Alten Rathaus zum Thema "Prostitution" gegen die geplante Errichtung von Bordellen, gegen die moralische Verurteilung und behördliche Registrierung von Prostituierten. In diesem Jahr erscheint auch ihre erste Publikation Lilith und Adam in der "Neuen deutschen Rundschau" unter dem Pseudonym Eremo, einige Jahre später schreibt sie unter dem Namen Franz Arnold Kunstkritiken zu Gustav Klimt und anderen Künstlern.

1897 gründet Rosa Mayreder zusammen mit Olga Prager, Marianne Hainisch, Friedrich Jodl u.a. den Verein "Kunstschule für Frauen und Mädchen", in diesem Jahr erscheint auch ihr Novellenband Übergänge, zwei Jahre später der Roman Idole.

Durch Rudolf Steiner Persönlichkeit in den Anfängen sicherlich angeregt und ihren eigenen philosophischen Gedanken bestätigt, veröffentlichte sie 1905 ihren ersten philosophisch-feministischen Essayband Zur Kritik der Weiblichkeit bei Diederichs, zu dem sie einen freundschaftlichen Kontakt pflegte.

1912 treten erstmals schwere Depressionen bei Karl Mayreder auf, die in Schüben bis zu seinem Tod anhalten. Es sollen über fünfzig Ärzte gewesen sein, die ihn untersucht haben. Sigmund Freud, der ihn auch einige Zeit behandelt hatte, machte Rosa Mayreder sogar indirekt für die Erkrankung ihres Mannes verantwortlich.  Sie litt sehr unter den Ausbrüchen und Depressionen ihres Mannes, was die Ehe schwer belastete. Es war für sie auch äußerst schwierig, die richtige Balance zwischen Krankenpflege für ihren Mann und ihrer geistigen Arbeit zu finden.

1921 wird der österreichische Zweig der internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit gegründet, dem Rosa Mayreder als Vizepräsidentin vorsteht. 1923 folgt  dann ihr zweiter feministischer Essayband Geschlecht und Kultur, in dem sie bereits ihre philosophischen Gedanken zu den Themen Sexualität, Liebe und Ehe darlegt. Hier wird auch die Frage gestellt, "was die Frau ihrer Natur nach sein soll", gegenüber Zur Kritik der Weiblichkeit, "was die Frau ihrer Natur nach ist."

Von Rudolf Steiners Weltanschauungen distanziert sich Rosa Mayreder mehr und mehr, lehnt sie geradezu ab. Ihm war aber klar, daß sie seine Lebensanschauungen nicht akzeptieren konnte. Trotzdem blieb er von ihrer Persönlichkeit und ihrem Geist beeindruckt und verehrte sie bis zu seinem Tod im Jahre 1925. Als sie von seinem Tod erfährt, empfindet sie doch sehr schmerzlich den Verlust eines ihrer wenigen Jugendgefährten. 

Zu Rosa Mayreders 70. Geburtstag gibt Käthe Braun-Prager, ihre Freundin und spätere Herausgeberin ihrer Werke, die Festschrift Aufstieg der Frau bei Diederichs heraus, in der bekannte Persönlichkeiten wie Stefan Zweig, Eugenie Schwarzwald, Helene Stöcker, Lou Andreas-Salomé und viele andere gratulieren. Außerdem wird Rosa Mayreder zur "Ehrenbürgerin der Stadt Wien" gewählt, erhält ein Jahr später vom Unterrichtsministerium allerdings nur das Bürgerdiplom. Man erzählte ihr, daß ihr das Ehrendiplom verwehrt wurde, da sie sich in einem Zeitungsartikel offen zu ihrem jüdischen Großvater bekannt hatte. In diesem Jahr erhält sie auch das Silberne Ehrenzeichen der Republik und "empörte sich dermaßen über die schäbige Aufmachung, daß sie auf jede Danksagung verzichtete" (s. Rosa-Mayreder-Biographie von Hilde Schmölzer)

Karl Mayreder stirbt am 10. September 1935. Noch Monate vorher schreibt sie enttäuscht in ihr Tagebuch: "..besonders, daß Lino und andere, die Schuld an seiner Krankheit auf mich wälzten, als hätte er sich durch meine Persönlichkeit 'erdrückt' gefühlt, empört mich noch jetzt; dreißig Jahre der glücklichsten Ehe haben nicht genügt, um das Vorurteil gegen die geistig orientierte Frau zu widerlegen!" Trotz dieser Beschuldigung und der Belastungen innerhalb der Ehe fühlt sie schmerzvoll die Leere, die durch seinen Tod auf ihr Herz fällt.

Rosa Mayreder versuchte sich auch im Drama und schrieb neben anderen kleinen Theaterstücken  den "weiblichen Faust" Anda Renata. Schon 1914 begann sie an diesem schwierigen Text zu schreiben, bis er dann 1934 als Privatdruck erscheinen konnte. Der Held in diesem Mysterium wird gerade der Verstand zum Verhängnis und später die Leidenschaft, bis sie durch die Liebe, allerdings nur durch den Liebestod, Läuterung und Erlösung findet.

1937 entstehen noch die Werke Diana und Herodias (ein mythisches Spiel) und Aschmedais Sonette an den Menschen. Ihr Gesamtwerk umfaßt Erzählungen, Gedichte, Romane, Essays und Theaterstücke.

Rosa Mayreder stirbt am 19. Januar 1938 hochverehrt in Wien und vermacht laut Testament den literarischen Nachlaß an Käthe Braun-Prager. Ihr Lebenswerk wurde durch die Rosa-Mayreder-Straße, den Rosa-Mayreder-Park sowie das Rosa-Mayreder-College gewürdigt, und ihr Bild schmückte den österreichischen 500-Schilling-Schein. 

 

*) Anmerkung: Im Jahr 2010 sind die Hugo Wolf-Briefe im Musikwissenschaftlichen Verlag, Wien erschienen. Im 4. Band sind Anmerkungen des Herausgebers, aber leider wurde im Text und im Namensregister Käthe Braun-Praga angegeben, was falsch ist, es muß heißen: Käthe Braun-Prager. In der 2. Auflage soll lt. des Herausgebers dieser gravierende Fehler korrigiert werden. 

 

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